Was ESG-Reporting in der Praxis bedeutet
Es wird ernst mit dem ESG-Reporting: Ab 2025 muss die KLINGER Group belastbare Daten zur Nachhaltigkeit liefern. Ines Weikl ist dabei für das Reporting zuständig, Yusuf Avci für die operative Implementierung.
Frau Weikl, Sie arbeiten seit einigen Monaten gemeinsam mit Yusuf Avci an einer großen Aufgabe: Dem ESG-Report der KLINGER Group. Aus welchem Blickwinkel gehen Sie auf dieses Projekt zu?
INES WEIKL: Ich bin seit Oktober 2021 im Unternehmen und arbeite im Group Accounting. Ich decke somit das gesamte Accounting und Controlling ab, das für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Bedeutung ist. Das Nachhaltigkeitsthema selbst ist für mich noch neu – ich bin eher ein Zahlenmensch. Hier kann ich meine Erfahrung aus der Erstellung von Geschäftsberichten einfließen lassen.
Mit welchen Zahlen müssen Sie sich im Rahmen des ESG-Reports beschäftigen?
Das reicht vom Stromverbrauch über die Personalstände bis hin zum Gender Pay Gap oder Daten zu Lieferanten – für unsere Berichtspflichten haben wir rund 100 Leistungskennzahlen definiert, die von unseren Tochterunternehmen in unterschiedlichem Ausmaß geliefert werden müssen. Dabei nutzen wir die bestehende Infrastruktur für das Finanz-Reporting: Mit demselben System, das uns einen Überblick über die Finanzlage des gesamten Konzerns verschafft, sammeln wir auch alle relevanten Daten für den ESG-Bericht.
Ines Weikl bringt mehr als 15 Jahre Erfahrung im Reporting von Finanzkennzahlen und der Erstellung von Geschäftsberichten mit.
Mit der Berichterstattung kommt die KLINGER Group einer EU-Vorgabe nach, die zur Erfüllung der Klimaziele beitragen soll. Welchen Nutzen erwarten Sie sich vom ESG-Reporting?
Zunächst gilt es, für alle Tochtergesellschaften der KLINGER Group einheitliche Standards zu definieren, die Vergleichbarkeit schaffen und uns ein Bild des Status quo liefern. Der Bericht hilft uns dabei, eine gemeinsame Ausgangsbasis zu schaffen. Die ist wichtig, um darauf die notwendigen Optimierungsmaßnahmen aufzubauen. Wenn wir nicht wissen, wo wir stehen, wissen wir auch nicht, wo wir hingehen müssen. Die Zahlen und Daten aus dem ESG-Reporting werden uns dabei helfen, Schritte in die richtige Richtung zu setzen.
Yusuf Avci ist seit 1992 in verschiedenen Positionen in der KLINGER Group tätig. Seit September 2023 ist er ESG-Manager bei KLINGER Holding.
Als Vorbereitung auf die Berichtspflicht wird schon seit Monaten daran gearbeitet, ein einheitliches Rahmenwerk für die Group zu schaffen. Worin bestehen dabei die Herausforderungen?
AVCI: Die KLINGER Group ist divers aufgestellt und verfügt über eine große Vielfalt an Unternehmen. Es macht natürlich einen Unterschied, ob man als Produktionsbetrieb mit energieintensiver Fertigung Klimadaten zu melden hat oder als Handelsunternehmen mit großen Lagerhallen. Anpassungen sind bei jedem Unternehmen individuell vor Ort notwendig, damit sie uns die Zahlen, die wir brauchen, auch dementsprechend liefern können.
WEIKL: Um die verschiedenen Zugänge auf einen Nenner bringen zu können, haben wir zehn Handlungsfelder definiert (siehe Infobox), die aus den zehn ESG-Kriterien abgeleitet wurden. Sie haben für alle Tochtergesellschaften die gleiche Gültigkeit. Es gibt auch Vorgaben, die genau definieren, wer die Daten bekannt zu geben hat, in welchem Zeitraum das geschieht und sogar welche metrische Einheit dabei zur Anwendung kommt.
Im Beitrag erwähnte Kontakte:
Yusuf Avci, Sustainability Manager bei KLINGER Holding
Ines Weikl, Group Accounting bei KLINGER Holding
Wann wird dieser Bericht zum ersten Mal verfasst?
AVCI: Dieser Bericht beruht auf streng definierten gesetzlichen Grundlagen, für das Geschäftsjahr 2025 müssen die Daten gesammelt werden, um 2026 erstmals einen umfassenden Bericht erstellen und vorzulegen zu können.
WEIKL: Gleich wie beim Geschäftsbericht unterliegt auch der ESG-Report einer externen Prüfung.
Auf welche Erkenntnisse aus dem Bericht sind Sie schon besonders gespannt?
WEIKL: Aufschlussreich werden sicher die sozialen Daten sein, denn im ESG-Reporting geht es ja nicht nur um Umweltthemen, sondern auch um das Wohlergehen der Mitarbeiter:innen. In kleinerer Form haben wir da bisher schon einiges abgefragt, aber in Zukunft werden wir ein umfassenderes Bild haben.
Wir werden auch erstmals eine Vergleichbarkeit in der gesamten KLINGER Group haben. Wie es mit den Standards weltweit aussieht? Das wird interessant zu sehen. Insbesondere auch, welche Potenziale sich hier noch heben lassen.
Faktenbox
Zehn ESG-Handlungsfelder bei KLINGER
- Klimawandel
- Wasserverbrauch
- Wasserverschmutzung
- Problemstoffe
- Kreislaufwirtschaft
- Kunden und Endverbraucher:innen
- Arbeitsbedingungen
- Mitarbeiter:innen in der Wertschöpfungskette
- Unternehmenskultur und Werte
- Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben sind Unternehmen verpflichtet, einen Plan für die Erreichung der Klimaneutralität vorzulegen. Die Klimaziele der EU legen dabei fest, dass bis zum Jahr 2030 schon 50 Prozent der klimaschädlichen Emissionen eingespart werden müssen, bis sie dann im Jahr 2050 völlig auf Null sinken sollen. Welche Projekte und Maßnahmen das genau bewirken können, wird aufgrund der Zahlen und Analysen des ESG-Berichts festgelegt.
Die KLINGER Group hat eine Governance-Struktur erstellt, in der jede Gesellschaft eine:n Nachhaltigkeitsexpert:in bekannt geben muss. Diese Person betreut die Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen und ist zuständig für die Übermittlung der Kennzahlen, die für den ESG-Bericht von Bedeutung sind.
KPI seht für Key Performance Indicators, also Leistungskennzahl. Mit diesen Indikatoren lässt sich messen, ob am Ende eines Prozesses das gewünschte Ergebnis erreicht werden konnte. In der Betriebswirtschaftslehre werden damit Erfolg, Leistung oder Auslastung eines Betriebs festgestellt. Im ESG-Reporting sind wichtige Leistungskennzahlen etwa der CO2-Ausstoß, der Energieeinsatz oder der Wasserverbrauch eines Unternehmens.
Faktenbox
Wussten Sie, dass ...
- …im gesetzlichen Regelwerk für das ESG-Reporting über 1000 Leistungskennzahlen (KPI) definiert wurden? Für Unternehmen sind das Leitlinien, an denen sie sich für die Formulierung ihrer eigenen Klimaziele und Reporting-Praktiken orientieren können.
- …KLINGER im Rahmen der Corporate Governance-Vorgaben auch auf die Bereiche Arbeitsplatzsicherheit, Gesundheit und lebenslanges Lernen verstärkten Fokus setzt? Diese zusammengefassten Aspekte umfassen auch soziale Verantwortung sowie Compliance- und Integrity-Ansätze in der Unternehmensethik.
- …Zertifizierungen wie EMAS und ISO 14001 schon in der Vergangenheit wichtige Daten über die Erreichung Nachhaltigkeitszielen bereitgestellt haben? Viele dieser bereits vorhandenen Informationen können für die Kriterien der ESG-Berichterstattung weiterverwendet werden.
- …sich der detaillierte Gesetzestext für die konkrete Ausgestaltung des ESG-Reportings über rund 300 eng bedruckte Seiten erstreckt?